MWP Forums-Beitrag-Nr.22

"Style-Ritardando selbst programmieren?"

- ein Forums-Dialog mit S. Radic -

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Schon der erste Sonderausgabe-Auftrag Anfang Januar in dem neuen Jahr 2018 brachte mich ja ordentlich ins Schwitzen! Nicht wegen der abzuschreibenden Noten - das ist Routine - sondern wegen einer "winzigen" Kleinigkeit in der Style-Programmierung!

Der betreffende "Titel-bezogene" style sollte ja ein sakrales Werk begleiten - und natürlich am Ende mit einem RITARDANDO, also einem "Verlangsamen" - wie das so in der Klassik früher üblich war - ausklingen! Aha, - und warum war das so schwer? Weil in dem Programmier-Algorhithmus meines Wersi-Pegasus-Style-Editors das schlicht nicht vorgesehen ist!

Aber: Ich habe es dennoch geschafft und so klingt nun das Pegasus-Ending des besprochenen Klassik-Styles:


Style-Ritardando-Demo



Doch bevor ich Ihnen genau erkläre, wie ich das programier-technisch gemacht habe,
empfehle ich, dass man sich zunächst diese Auftrags-Sonderausgabe teils ansehen und anhören,
bzw. die Style-Info und die Titel-Hintergründe durchlesen sollte!
Die Sonderausgabe ist schon im MWP-Netz:

Tollite-Hostias  Oratorio de Noël - Tollite Hostias,
von CAMILLE SAINT-SAENS, Op.12 (Chorus),
Chor Diethard Hellmann


Der Programmier-Vorgang generell

Die gesamte Programmierung besteht eigentlich immer aus einer Folge der selben Schritte für jede Version meiner MWP-Liste:

1. Der Titel wird zunächst abgehört und noten-mäßig abgeschrieben in Arrangement-Form mittels eines Computer-Notensatz-Programms.
So ein Arrangement besteht aus 6-8 Spuren, wobei meine persönliche Spuren-Technik wie folgt aussieht:
Die MIDI-Kanäle 1-2-3 werden nicht benutzt (sie sind für die Orgel-Parts OM/UM/Pedal reserviert). Auf dem MIDI-Kanal 4 ist immer die Hauptmelodie. Auf dem MIDI-Kanal 5 ist die Gitarre. Auf dem MIDI-Kanal 6 ist der Strings-Sound (als Sound-Fläche). Auf dem MIDI-Kanal 7 ist bei mir immer der Bass.

Anmerkung: Das ist der große Unterschied zu allen anderen MIDIs auf dem Markt, wo der Bass fast immer auf Kanal 2 liegt.:
Mein Bass-Kanal-7 kann in allen Wersi-Orgel direkt über einen entsprechenden Bass-Zugriegel beeinflußt werden!
(Liegt er dagegen auf Kanal 2, kollidiert er mit den Events vom Orgel UM, siehe oben).

2. Das Notensatz-Programm erzeugt aus jeder Noten-Spur anschließend eine MIDI-Spur mit dem Noten-Inhalt als reine Noten-Events (ohne Controller).
Diese "karge" GM-Sequenz wird aschließend in das MIDI-Sequenzer-Programm CUBASE VST (für Windows XP) eingelesen und musikalisch bis zur zufriedenstellenden Vollendung bearbeitet.

3. Aus dieser fertigen GM-Sequenz wird dann der Style mit seinen Parts INTRO/MAIN1/MAIN2/FILL1/FILL2/ENDING generiert und in einem entsprechenden Cubase-STY-File weiter bearbeitet, bis jeder Part so klingt, wie ein Style (Rhtyhmisch und harmonisch korrekt)
- und mit passenden Klangfarben versehen, welche dem GM-File entsprechen.

4. Dann erfolgt die midmäßige 1:1-Übertragung aller Style-Parts vom Cubase VST zum Pegasus mittels Synchronisation über MIDI-Clock.

5. Wenn der Style ohne "besondere" Vorkommnisse als titelbezogener Style mit bestimmtem Tanz-Rhythmus weiter gegeben werden kann,
erfolgt die Konvertierung mittels Computer-EMC-Konverter-Programms in alle Marken-Keyboard-Fabrikate,
bzw. eine manuelle Konvertierung vom Pegasus zum OAS/OAX-System von Wersi.

8. Fertig.


Der Programmier-Vorgang für das RITARDANDO des Style-Endings

Dass ein Style synchron laufen und jeder Schlag "ordentlich" quantisiert sein muss - hat die allerhöchste Priorität! Und genau diese Eigenschaft steht einem "Ritardando" im Wege! Denn: ein "Ritardando" ist die "asynchrone" Stelle in einem Style - sie verlangsamt den Style nach ganz bestimmten Vorgaben und macht ihn "unrhythmisch"!! Da ein Style eigentlich auch nichts anderes ist, als eine "kleine" Midi-Sequenz - nur entsprechend den Takt-Vorgaben viel, viel kürzer - erscheint es unlogisch, warum man da nicht einfach den Controller "Tempo" - den es ja bei den MIDI-Sequenzern gibt - nicht dazu benutzen sollte, um auch rhythmische Veränderungen innerhalb des Styles nach Gusto vorzunehmen!
Nein, dem ist nicht so. Ein Wersi-Pegasus hat das veränderliche Tempo-Status-Fenster nicht in der Style-Editor-Struktur!

Anmerkung: Hier sollte ich noch erwähnen, dass mein Wersi-Pegasus Baujahr 1991 ist (!) - und seit dieser Zeit eigentlich fehlerfrei funktioniert - im Gegensatz zu den vielen neueren Wersi-Systemen, welche es nicht tun! Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass genau ich damals als Mitglied des Wersi-Teams dieses Intrument gebaut habe - UND: meine Aufgabe war den MIDI- und den Style-Sequenzer musikalisch so perfekt aufzubereiten - wie dieser es noch heute tut! Allerdings: Wieso ich damals nicht an "Ritardando" gedacht hatte, wird sich niemals mehr klären lassen...

Und nun zur Sache. Die Überlegung war folgende: Ich programmiere zunächst alles so, wie bisher - und auch das Ending erst einmal ohne ritardando.
So geschehen, machte ich dann folgendes:

1. Ich schaltete zunächst die MIDI-Clock-Einrichtung beim Cubase ab.
2. Dann löschte ich alle anderen "rhythmischen" Parts aus dem Programm-Pattern.
Es blieb nur das Ending übrig, dass ich auf Sequenz-Takt-4 setzte (später mehr darüber, warum), im Cubase-Bild so:

cubase-tollite-ritardando

Anmerkung für den Pegasus-Freak: Hier sieht man ganz deutlich die Cubase-Umsetzung der Pegasus-Style-Struktur - so wie sie nacher
synchron/asynchron zum Pegasus Style-Editor gesendet wird. Die obige Spuren-Reihenfolge schiebt automatisch alle
Style-Events dann in die entsprechenden Pegasus-Style-Editor-Spuren hinein!

3. Jetzt gab ich in das aus zwei Takten bestehende Ending unterschiedliche Tempi im ersten Takt des Endings ein, und zwar wie folgt:

Takt-Part 4.1.0=100, Takt-Part 4.2.0=90, Takt-Part 4.3.0=80 und im Takt-Part 4.4.0=70

cubase-tollite-ritardando

4. Wie Sie sehen, wird das "Ritardando" vom Schlag-zu-Schlag im ersten Ending-Takt an Tempo um Faktor 10 abnehmen:

1=100, 2=90, 3=80 und 4=70!

5. Es ist Zeit für den ersten Probelauf: Cubase mit aktivem "Master" gestartet - und: es funktionierte auf Anhieb!
Ich war mit dem Ritardando-Resultat zufrieden!

Und wie bekam ich diese "Anordnung" in den Pegasus?

6. Dazu jetzt eine kurze aber sehr notwendige Erklärung, warum ich den Ending-Part ausgerechnet auf den vierten Cubase-Sequenzer-Takt setzte:

Der aufmerksame Zuseher hat schon bestimmt entdeckt, dass neben dem aktiven "Master"-Button auch der links daneben befindliche "Click"-Button aktiv ist! Nein, das ist nicht der "Midi-Clock", sondern das Klick-Geräusch auf jede Taktzählzeit, wenn man live einspielt! Denn, jetzt erfolgt tatsächlich die "live"-Übertragung zum Pegasus mit Hilfe des Klick-Geräusches! Der Cubase-Sequenzer ist so geartet, dass er beim Start eine kurze Verzögerung aufweist - so ist also der erste Takt im Sequenzer nicht zu gebrauchen - sondern das "Zählen" der Einheiten live erst ab dem Takt 2 möglich ist! Und da der Pegasus aber einen Vorzähler von zwei Takten hat, mußte ich das Senden der Events erst danach veranlassen, bzw. den Pegasus tatsächlich "live" mit Start-Knopf manuell per Fingerdruck starten! Verstanden? Also: Takt 1 ist Vorbereitung, ab Takt 2-3 fängt der Pegasus Vorzähler an - und erst danach (also ab Takt 4) erfolgt die Übertragung der Events mit der gleichzeitigen Live-Aufnahme - jetzt ASYNCHRON - ohne den MIDI-Clock. Hierbei zählt aber der Pegasus unentwegt weiter im Original-Tempo 110 durch - nimmt aber alles so auf wie es kommt - nämlich mit "ritardando" 100-90-80-70 - total asynchron! Dadurch ist das Ending aber dopellt so lang geworden - und wurde auf 4 Takte im Pegasus definiert!

Das war's!




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